Bearbeiten von «Toblerdenkmal - Anekdoten zur Entstehung»
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Das Denkmal wurde 1938 aus Anlass des 100. Todestages von [[Tobler Johann Heinrich|Johann Heinrich Tobler]] errichtet und am 11. September mit einem grossen Festakt eingeweiht. | Das Denkmal wurde 1938 aus Anlass des 100. Todestages von [[Tobler Johann Heinrich|Johann Heinrich Tobler]] errichtet und am 11. September mit einem grossen Festakt eingeweiht. | ||
== Gegenspieler mit gleicher Absicht == | == Gegenspieler mit gleicher Absicht == | ||
[[Datei:Kollegium Kant 1933.png|mini|<small>2. | [[Datei:Kollegium Kant 1933.png|mini|<small>2. von links: Arnold Eugster; 3. von rechts Oswald Eggenberger</small>]] | ||
Ideengeber, treibende Kraft und Festredner an der Einweihung war Professor Arnold Eugster (1878 - 1949), seit 1902 Lehrer an den unteren Klassen (mangels akademischem Grad) der Kantonsschule Trogen für Deutsch, Latein und Griechisch. Sowohl seine Art des Unterrichtens, sein psychologisches Ungeschick, wie auch sein Kropf machten ihn in den Augen der Schülerinnen und Schüler zu einem Sonderling, der auch manchen Spott zu ertragen hatte. Sein schmerzhafter Gelenkrheumatismus war der Grund dafür, dass er im Winter ab und zu von Schülern auf einem Schlitten zur Schule und wieder nach Hause gebracht werden musste.<br> | Ideengeber, treibende Kraft und Festredner an der Einweihung war Professor Arnold Eugster (1878 - 1949), seit 1902 Lehrer an den unteren Klassen (mangels akademischem Grad) der Kantonsschule Trogen für Deutsch, Latein und Griechisch. Sowohl seine Art des Unterrichtens, sein psychologisches Ungeschick, wie auch sein Kropf machten ihn in den Augen der Schülerinnen und Schüler zu einem Sonderling, der auch manchen Spott zu ertragen hatte. Sein schmerzhafter Gelenkrheumatismus war der Grund dafür, dass er im Winter ab und zu von Schülern auf einem Schlitten zur Schule und wieder nach Hause gebracht werden musste.<br> | ||
Eugsters Mitstreiter, aber auch Gegenspieler in mancher Hinsicht, war Pfarrer Oswald Eggenberger (1890-1959), von 1931-1955 Gemeindepfarrer in Speicher. Oswald Eggenberger setzte sich später unter anderem für die Straffreiheit von Paul Grüninger ein, der als Polizeikommandant Hunderten jüdischer Flüchtlinge die illegale Einreise in die Schweiz ermöglicht hatte. | Eugsters Mitstreiter, aber auch Gegenspieler in mancher Hinsicht, war Pfarrer Oswald Eggenberger (1890-1959), von 1931-1955 Gemeindepfarrer in Speicher. Oswald Eggenberger setzte sich später unter anderem für die Straffreiheit von Paul Grüninger ein, der als Polizeikommandant Hunderten jüdischer Flüchtlinge die illegale Einreise in die Schweiz ermöglicht hatte. | ||
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=== Hans Eggenberger - Chronist mit Schalk === | === Hans Eggenberger - Chronist mit Schalk === | ||
Oswald Eggenbergers Sohn, der spätere Dr. iur. Hans Eggenberger (1918-1999), war Schüler von Eugster und verfasste später aus Notizen und Erinnerungen die Geschehnisse rund um die Errichtung des Toblerdenkmals. Gesprächsthemen aus den Sitzungen des Denkmalkomitees dürften am Eggenberger’schen Tisch zur Sprache gekommen sein. Im Freundeskreis von Hans Eggenberger wurde Arnold Eugsters Wirken in und ausserhalb der Schule mit Argusaugen beobachtet.<br> | Oswald Eggenbergers Sohn, der spätere Dr. iur. Hans Eggenberger (1918-1999), war Schüler von Eugster und verfasste später aus Notizen und Erinnerungen die Geschehnisse rund um die Errichtung des Toblerdenkmals. Gesprächsthemen aus den Sitzungen des Denkmalkomitees dürften am Eggenberger’schen Tisch zur Sprache gekommen sein. Im Freundeskreis von Hans Eggenberger wurde Arnold Eugsters Wirken in und ausserhalb der Schule mit Argusaugen beobachtet.<br> | ||
Aus | Aus den Notizen sind stark gekürzt die folgenden Text- und Videobeiträge entstanden. Die Anekdoten sind nicht zuletzt auch eine versöhnliche Anerkennung der Leistungen des von Eifer beseelten Protagonisten „Professor Abraham Sprecher“ und eine Würdigung der besonnenen Art von „Pfarrer Fingerzeig“ | ||
=== Arnold Eugster, treibende Kraft === | === Arnold Eugster, treibende Kraft === | ||
Arnold Eugster suchte schon als Lehrer nach Anerkennung seiner geistigen und kulturellen Arbeit. Eine solche fand er weniger als Lehrer, sondern in der Öffentlichkeit als Präsident der [[Sonnengesellschaft]] und spät noch als Mitglied des Gemeinderates. Mit der Pensionierung soll ihn der Gedanke nicht mehr los gelassen haben, einer lokalen Persönlichkeit aus Literatur oder Kunst ein Denkmal, grösser als das | Arnold Eugster suchte schon als Lehrer nach Anerkennung seiner geistigen und kulturellen Arbeit. Eine solche fand er weniger als Lehrer, sondern in der Öffentlichkeit als Präsident der [[Sonnengesellschaft]] und spät noch als Mitglied des Gemeinderates. Mit der Pensionierung soll ihn der Gedanke nicht mehr los gelassen haben, einer lokalen Persönlichkeit aus Literatur oder Kunst ein Denkmal, grösser als das Schlachtdenkmal bei Vögelinsegg, zu setzen. So kam er auf [[Tobler Johann Heinrich|Johann Heinrich Tobler]], den Sängervater, weil sich in Bälde, nämlich 1938, dessen 100. Todestag jährte. Als Platz für das Denkmal schwebte ihm der heutige Standort vor, damals immer noch unansehnlicher Überrest des Steinbruchs vom Durchbruch für Strasse und [[Trogenerbahn]]. | ||
== Ein Monument! - Aber wo? == | == Ein Monument! - Aber wo? == | ||
Ein Denkmalkomitee war schnell gegründet, unter ihnen Eugster als Initiant, Gemeindehauptmann Locher, Pfarrer Eggenberger und ein Vertreter des Handwerker- und Gewerbevereins. Ein Denkmalfonds wurde mit Spenden, zumeist bescheidenen, geäufnet, zu einer | Ein Denkmalkomitee war schnell gegründet, unter ihnen Eugster als Initiant, Gemeindehauptmann Locher, Pfarrer Eggenberger und ein Vertreter des Handwerker- und Gewerbevereins. Ein Denkmalfonds wurde mit Spenden, zumeist bescheidenen, geäufnet, zu einer „Summe, welche die optimistischen Mitglieder im Komitee enttäuschte, die Pessimisten hingegen zu überraschen vermochte. Es taugte zu etwas und doch nicht zu viel.“ | ||
Im Komitee traten gegensätzliche Interessen zutage, was öfters zu Reibereien, ja heftigen Reaktionen führte, so die Frage zum geeigneten Standort oder die Frage „Gedenkstein oder Monument?“ Die finanziellen Mittel zeigten schnell die Grenzen auf: Ein grosser Teil des Geldes musste für die Aufschüttung des Steinbruchs verwendet werden. Mit dem Rest liess sich kein Denkmal im Stil der Freiheitsstatue | Im Komitee traten gegensätzliche Interessen zutage, was öfters zu Reibereien, ja heftigen Reaktionen führte, so die Frage zum geeigneten Standort oder die Frage „Gedenkstein oder Monument?“ Die finanziellen Mittel zeigten schnell die Grenzen auf: Ein grosser Teil des Geldes musste für die Aufschüttung des Steinbruchs verwendet werden. Mit dem Rest liess sich kein Denkmal im Stil der Freiheitsstatue in New York errichten, das Geld reichte noch für einen schlichten Gedenkstein mit Toblers Kopf im Profil und der Widmung: „Johann Heinrich Tobler Dichter und Komponist unseres Landsgemeindeliedes.“ | ||
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== Einweihung mit Nebengeräuschen == | == Einweihung mit Nebengeräuschen == | ||
Oswald Eggenberger baute Arnold Eugster eine Brücke, die dessen Weltbild mit dem vermeintlich vernichteten Wert des Toblerdenkmals wieder einigermassen gerade rückte. Er erklärte ihm, dass Caroline Rudolphi den Liedtext geschickt aus Bibelzitaten geschaffen habe. So wurde der Sängervater nur noch Komponist des Landsgemeindeliedes und Bildhauer Wilhelm Meier angehalten, die Inschrift am Denkmal zu berichtigen.<br> | |||
Oswald Eggenberger baute Arnold Eugster eine Brücke, die dessen Weltbild mit dem vermeintlich vernichteten Wert des Toblerdenkmals wieder einigermassen gerade rückte. Er erklärte ihm, dass Caroline Rudolphi den Liedtext geschickt aus Bibelzitaten geschaffen habe. So wurde der Sängervater | |||
Arnold Eugster konnte sich „seinem“ Einweihungsfest widmen. | Arnold Eugster konnte sich „seinem“ Einweihungsfest widmen. | ||
=== Eine Festrede für die Ewigkeit! === | |||
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=== Ärgste Denkmalschändung des Jahrhunderts! === | === Ärgste Denkmalschändung des Jahrhunderts! === | ||
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== Das Denkmal und sein Künstler == | == Das Denkmal und sein Künstler == | ||
Geschaffen wurde das Denkmal von Bildhauer Wilhelm Meier (1880 - 1971). Er wuchs in Trogen auf und war als Bildhauer Schüler von August Bösch, dem Erschaffer des Broderbrunnens in St. Gallen.<br> | Geschaffen wurde das Denkmal von Bildhauer Wilhelm Meier (1880 - 1971). Er wuchs in Trogen auf und war als Bildhauer Schüler von August Bösch, dem Erschaffer des Broderbrunnens in St. Gallen.<br> | ||
''Werkauswahl Meiers in St. Gallen:'' Brunnenskulptur Christophorus bei der Fürstenlandbrücke, Kinderfigur auf dem Kugelgassbrunnen, Zwei Marktfrauen beim Rösslitorbrunnen (Globus), Soldatendenkmal im Kantonsschulpark, Mädchen mit Wasserkrug am Brunnen im St. Leonhardspark. | ''Werkauswahl Meiers in St. Gallen:'' Brunnenskulptur Christophorus bei der Fürstenlandbrücke, Kinderfigur auf dem Kugelgassbrunnen, Zwei Marktfrauen beim Rösslitorbrunnen (Globus), Soldatendenkmal im Kantonsschulpark, Mädchen mit Wasserkrug am Brunnen im St. Leonhardspark. | ||
== Die Einweihungsfeier aus Korrespondentensicht == | == Die Einweihungsfeier aus Korrespondentensicht == | ||
Im Band 66 (für das Jahr 1938) der Appenzellischen Jahrbücher findet das Einweihungsfest in den Ereignissen von Speicher folgende Erwähnung: ''Nach viermaliger Verschiebung konnte endlich am Sonntag den11. September der von Bildhauer Meier behauene Denkstein eingeweiht werden. Diese Feier wurde mit dem mittelländischen Bezirkssängertag verbunden und nahm unter Anteilnahme der ganzen Bevölkerung einen erhebenden Verlauf. Herr Professor Arnold Eugster, Präsident des Organisationskomitees und Verfasser der schönen Festschrift, die das Leben und Wirken J. H. Toblers tür die Heimat fesselnd schildert, hielt die Weiherede auf dem Denkmalsplatz auf Vögelinsegg. Herr Gemeinderat Johs. Altherr nahm namens der Gemeinde das Denkmal entgegen. Unter den Ehrengästen befand sich auch Herr Bundespräsident Dr. Johs. Baumann, der aus der Bundesstadt herbeigeeilt war, um mit seinen appenzellischen Landsleuten den Tag der Freude zu begehen. Die Aufführung des Heimatspiels »Appenzellerländli, du«, für Soli, Chor und Orchester, von Hans Zähner und Friedrich Niggli fand eine überaus dankbare Aufnahme.'' | |||
== Epilog == | == Epilog == | ||
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=== Die Aufzeichnungen von Hans Eggenberger === | === Die Aufzeichnungen von Hans Eggenberger === | ||
Hans Eggenberger, Verfasser der | Hans Eggenberger, Verfasser der Erinnerungen an die Denkmalgeschichte, in denen er Arnold Eugster’s Wesen und Charakter pointiert überzeichnet, schreibt im Epilog seiner Aufzeichnungen über Arnold Eugster (alias Abraham Sprecher): ''Die Wunde der Vögelinsegg, die noch seine Generation ohne Verständnis für die Schönheit der Heimat schlug, hat er geheilt. Er wusste viel und wurde viel verspottet von den Ungebildeten, weil er sich stets als Bannerträger des Geistes etwas über denselben dünkte, und doch hatte Abraham Charakter. Er war eine Persönlichkeit durch und durch, er lebte in seiner eigenen Welt, unberührt und gefeit gegen jede Vermassung, und gerade solche Menschen hat die gegenwärtige Zeit besonders nötig.''<br> | ||
Die | Die Aufzeichnungen von Hans Eggenberger wurden Wikispeicher von Wilhelm Nowack zur Verfügung gestellt: ''Der Autor der Geschichte ist Dr. Hans Eggenberger (1918-1999). Er war der älteste Sohn meines Grossvaters Oswald Eggenberger, verbrachte seine Jugend in Speicher und besuchte die Kantonsschule Trogen. Seine Geschichte des Toblerdenkmals galt lange Zeit als verschollen und tauchte erst mehr als zwanzig Jahre nach seinem Tod im Nachlass meiner Mutter wieder auf.'' | ||
=== Die "Ode an Gott" und Karolina Rudolphi === | === Die "Ode an Gott" und Karolina Rudolphi === | ||
Die Entstehung des Textes des Landsgemeindeliedes und das Leben von Carolina Christiana Louisa Rudolphi (*1753 †1811), genannt Karolina Rudolphi, hat Dr. phil. Heidi Eisenhut im [https://doi.org/10.5169/seals-377376 Appenzeller Kalender] von 2009 (Band 288) erstmals näher beschrieben. Hier werden einige Ungenauigkeiten aus den Memoiren des Hans Eggenberger korrekt dargestellt. | Die Entstehung des Textes des Landsgemeindeliedes und das Leben von Carolina Christiana Louisa Rudolphi (*1753 †1811), genannt Karolina Rudolphi, hat Dr. phil. Heidi Eisenhut im [https://doi.org/10.5169/seals-377376 Appenzeller Kalender] von 2009 (Band 288) erstmals näher beschrieben. Hier werden einige Ungenauigkeiten aus den Memoiren des Hans Eggenberger korrekt dargestellt. | ||