Toblerdenkmal - Anekdoten zur Entstehung

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Das Toblerdenkmal auf Vögelinsegg hat eine Geschichte, die Zeugnis ablegt von Leidenschaft und Begeisterung für eine Sache, aber im gleichen Zusammenhang ebenso sehr von Schmähungen, Anfeindungen, Spötteleien, Enttäuschungen, Frust und Kränkungen. Heute rufen die Verhandlungen und Debatten ein Schmunzeln hervor. Das Denkmal wurde 1938 aus Anlass des 100. Todestages von Johann Heinrich Tobler errichtet und am 11. September mit einem grossen Festakt eingeweiht.

Zur Entstehung der Anekdoten[Bearbeiten]

Hans Eggenberger, Autor der Geschichte zum Toblerdenkmal

Verfasser der Erinnerungen an die Denkmalgeschichte ist Dr. iur. Hans Eggenberger (1918-1999), Rechtsanwalt in Teufen. Die Entstehung der Kurzgeschichte, die mit "Das Denkmal" betitelt ist, hat sich über Jahre hingezogen. In den 1990er-Jahren besuchte Hans Eggenberger zu Anfang jeden Jahres Edith Nowack, die Mutter seines Sohnes Wilhelm in der Nähe von Ravensburg, brachte jeweils einige Seiten seines Denkmaltextes mit, um diese mit ihr durchzugehen. Mit Edith Nowack, die als Sekretärin gut Deutsch konnte, besprach er Fragen des Satzbaus und der Rechtschreibung und räumte Rechtschreibfehler aus. Nach den Treffen mit ihm hat sie seine mit Randbemerkungen und Korrekturen versehenen Seiten auf der Schreibmaschine mit einem Durchschlag für sich selbst ins Reine getippt. Das letzte Treffen dieser Art fand Anfang 1999 statt.
Mehr als 20 Jahre nach dem Tod von Hans Eggenberger verstarb auch Edith Nowack. In ihrem Nachlass fand Wilhelm Nowack die Durchschläge der Geschichte „Das Denkmal“. Zunächst beabsichtigte er, die Geschichte drucken zu lassen und im Verwandten- und Bekanntenkreis zu verteilen. Dazu schrieb er den Text neu, gestaltete ein neues Layout und ergänzte den Text mit veranschaulichenden Bildern. Wilhelm Nowack stiess auf die Sonnengesellschaft und freut sich, dass die Geschichte auf wikispeicher für einen weiteren Kreis Interesse findet.


Gegenspieler mit gleicher Absicht[Bearbeiten]

2. v. l. Arnold Eugster; 3. v. r. Oswald Eggenberger

Ideengeber, treibende Kraft und Festredner an der Einweihung war Professor Arnold Eugster (1878 - 1949), seit 1902 Lehrer an den unteren Klassen (mangels akademischem Grad) der Kantonsschule Trogen für Deutsch, Latein und Griechisch. Sowohl seine Art des Unterrichtens, sein psychologisches Ungeschick, wie auch sein Kropf machten ihn in den Augen der Schülerinnen und Schüler zu einem Sonderling, der auch manchen Spott zu ertragen hatte. Sein schmerzhafter Gelenkrheumatismus war der Grund dafür, dass er im Winter ab und zu von Schülern auf einem Schlitten zur Schule und wieder nach Hause gebracht werden musste.
Eugsters Mitstreiter, aber auch Gegenspieler in mancher Hinsicht, war Pfarrer Oswald Eggenberger (1890-1959), von 1931-1955 Gemeindepfarrer in Speicher. Oswald Eggenberger setzte sich später unter anderem für die Straffreiheit von Paul Grüninger ein, der als Polizeikommandant Hunderten jüdischer Flüchtlinge die illegale Einreise in die Schweiz ermöglicht hatte.

Hans Eggenberger - Chronist mit Schalk[Bearbeiten]

Oswald Eggenbergers Sohn, der spätere Dr. iur. Hans Eggenberger (1918-1999), war Schüler von Eugster und verfasste später aus Notizen und Erinnerungen die Geschehnisse rund um die Errichtung des Toblerdenkmals. Gesprächsthemen aus den Sitzungen des Denkmalkomitees dürften am Eggenberger’schen Tisch zur Sprache gekommen sein. Im Freundeskreis von Hans Eggenberger wurde Arnold Eugsters Wirken in und ausserhalb der Schule mit Argusaugen beobachtet.
Aus dem Text "Das Denkmal" sind stark gekürzt die folgenden Text- und Videobeiträge entstanden. Die Anekdoten sind nicht zuletzt auch eine versöhnliche Anerkennung der Leistungen des von Eifer beseelten Protagonisten „Professor Abraham Sprecher“ und eine Würdigung der besonnenen Art von „Pfarrer Fingerzeig“.

Arnold Eugster, treibende Kraft[Bearbeiten]

Arnold Eugster suchte schon als Lehrer nach Anerkennung seiner geistigen und kulturellen Arbeit. Eine solche fand er weniger als Lehrer, sondern in der Öffentlichkeit als Präsident der Sonnengesellschaft und spät noch als Mitglied des Gemeinderates. Mit der Pensionierung soll ihn der Gedanke nicht mehr los gelassen haben, einer lokalen Persönlichkeit aus Literatur oder Kunst ein Denkmal, grösser als das Schlachtdenkmal bei Vögelinsegg, zu setzen. So kam er auf Johann Heinrich Tobler, den Sängervater, weil sich in Bälde, nämlich 1938, dessen 100. Todestag jährte. Als Platz für das Denkmal schwebte ihm der heutige Standort vor, damals immer noch unansehnlicher Überrest des Steinbruchs vom Durchbruch für Strasse und Trogenerbahn.

Ein Monument! - Aber wo?[Bearbeiten]

Ein Denkmalkomitee war schnell gegründet, unter ihnen Eugster als Initiant, Gemeindehauptmann Locher, Pfarrer Eggenberger und ein Vertreter des Handwerker- und Gewerbevereins. Ein Denkmalfonds wurde mit Spenden, zumeist bescheidenen, geäufnet, zu einer „Summe, welche die optimistischen Mitglieder im Komitee enttäuschte, die Pessimisten hingegen zu überraschen vermochte. Es taugte zu etwas und doch nicht zu viel.“ Immerhin wurde in einer Abstimmung ein Kredit von Fr. 9000.- zur Herrichtung des Denkmalplatzes mit grossem Mehr angenommen.
Im Komitee traten gegensätzliche Interessen zutage, was öfters zu Reibereien, ja heftigen Reaktionen führte, so die Frage zum geeigneten Standort oder die Frage „Gedenkstein oder Monument?“ Die finanziellen Mittel zeigten schnell die Grenzen auf: Ein grosser Teil des Geldes musste für die Aufschüttung des Steinbruchs verwendet werden. Mit dem Rest liess sich kein Denkmal im Stil der Freiheitsstatue von New York errichten, das Geld reichte noch für einen schlichten Gedenkstein mit Toblers Kopf im Profil und der ursprünglich geplanten Widmung: „Johann Heinrich Tobler Dichter und Komponist unseres Landsgemeindeliedes.“ Daraus wurde dann „Johann Heinrich Tobler Komponist unseres Landsgemeindeliedes“, denn Oswald Eggenberger erschütterte mit der Nachricht, der Liedtext stamme von - unerhört! - einer Frau.

Einweihung mit Nebengeräuschen[Bearbeiten]

Möglicherweise die erste Vorlage

Oswald Eggenberger baute Arnold Eugster eine Brücke, die dessen Weltbild mit dem vermeintlich vernichteten Wert des Toblerdenkmals wieder einigermassen gerade rückte. Er erklärte ihm, dass Caroline Rudolphi den Liedtext geschickt aus Bibelzitaten geschaffen habe. So wurde der Sängervater "nur noch" Komponist des Landsgemeindeliedes und Bildhauer Wilhelm Meier angehalten, die Inschrift am Denkmal zu berichtigen.
Arnold Eugster konnte sich „seinem“ Einweihungsfest widmen.

Inserat Einweihung.jpeg












Eine Festrede für die Ewigkeit![Bearbeiten]

Ein Fest, das in den Augen Eugsters von derart grosser Bedeutung war, musste entsprechend vorbereitet sein. Dazu gehörte auch das Üben der Festrede vor Ort, allerdings zu später Stunde, wenn sich die meisten Leute bereits in die Stuben verkrochen haben. Ausser eben drei zu allerlei Schabernack aufgelegten Jünglingen, unter ihnen Pfarrer Eggenbergers Sohn.
Der grosse Tag der Einweihung verlief reibungslos, ausser der Absenz des Schweizer Radios, das die Übertragung eines Fussballspiels dem kulturellen Jahrhundertereignis in Speicher vorzog.
Und kaum war das Einweihungsfest Geschichte, als schon wieder ein ungeplantes Ereignis mit einem Gartenzwerg als Hauptbeteiligten, für Aufregung bei Eugster sorgte.

Ärgste Denkmalschändung des Jahrhunderts![Bearbeiten]

Malermeister Hutterli erfuhr auch vom Ereignis und holte seinen Gartenzwerg mit einem Leiterwagen ab, liess ihn wieder im Teich fischen und hielt die Sache für erledigt.
Nachdem auch Arnold Eugster der Vorfall zu Ohren kam, verlangte er in seiner Empörung vom Gemeinderat erneut die Einberufung einer Untersuchungskommission, denn: "Es ist dies der ärgste Fall von Denkmalschändung, welcher sich in diesem Jahrhundert ereignet hat.“
Die Untersuchungen verliefen ohne Resultate, zumindest was diese zweite „Schändung“ betraf. Denn mit Bezug auf die erste „Schändung“, die Delle in der Nase, erzählte Bildhauer Meier, der Kopf des Tobler habe ihn anfänglich nicht befriedigt, er habe deshalb durch eine Korrektur das Bildnis Toblers vollendeter gestaltet. Eugster fühlte sich dadurch etwas blamiert und bat, das Ergebnis tot zu schweigen. Ein geistesgegenwärtiger Ratsherr empfahl, die Untersuchung im zweiten Fall sofort einzustellen, weil andernfalls die Leute immer wieder nach dem Ergebnis der ersten Untersuchung fragen würden. Professor Eugster sah das nach einigem Zögern ein, die Untersuchungskommission wurde aufgelöst und die Sache blieb, was sie war: ein Jugendstreich.

Das Denkmal und sein Künstler[Bearbeiten]

Meier&Gartenplastik.jpg

Geschaffen wurde das Denkmal von Bildhauer Wilhelm Meier (1880 - 1971). Er wuchs in Trogen auf und war als Bildhauer Schüler von August Bösch, dem Erschaffer des Broderbrunnens in St. Gallen.
Werkauswahl Meiers in St. Gallen: Brunnenskulptur Christophorus bei der Fürstenlandbrücke, Kinderfigur auf dem Kugelgassbrunnen, Zwei Marktfrauen beim Rösslitorbrunnen (Globus), Soldatendenkmal im Kantonsschulpark, Mädchen mit Wasserkrug am Brunnen im St. Leonhardspark.


Die Einweihungsfeier aus Korrespondentensicht[Bearbeiten]

Festumzug 1938

Im Band 66 (für das Jahr 1938) der Appenzellischen Jahrbücher findet das Einweihungsfest in den Ereignissen von Speicher folgende Erwähnung: Nach viermaliger Verschiebung konnte endlich am Sonntag den11. September der von Bildhauer Meier behauene Denkstein eingeweiht werden. Diese Feier wurde mit dem mittelländischen Bezirkssängertag verbunden und nahm unter Anteilnahme der ganzen Bevölkerung einen erhebenden Verlauf. Herr Professor Arnold Eugster, Präsident des Organisationskomitees und Verfasser der schönen Festschrift, die das Leben und Wirken J. H. Toblers tür die Heimat fesselnd schildert, hielt die Weiherede auf dem Denkmalsplatz auf Vögelinsegg. Herr Gemeinderat Johs. Altherr nahm namens der Gemeinde das Denkmal entgegen. Unter den Ehrengästen befand sich auch Herr Bundespräsident Dr. Johs. Baumann, der aus der Bundesstadt herbeigeeilt war, um mit seinen appenzellischen Landsleuten den Tag der Freude zu begehen. Die Aufführung des Heimatspiels »Appenzellerländli, du«, für Soli, Chor und Orchester, von Hans Zähner und Friedrich Niggli fand eine überaus dankbare Aufnahme.

Epilog[Bearbeiten]

Nachruf auf Arnold Eugster[Bearbeiten]

Pfarrer Oswald Eggenberger schreibt im Nachruf auf Arnold Eugster (App. Jahrbücher Band 76): Mit besonderer Freude denken die Einwohner von Speicher an die Einweihung des Toblerdenkmales und die Verschönerung des Platzes auf der vielbesuchten Höhe von Vögelinsegg. Ohne die tatkräftige Initiative und die zielbewußte Organisation des Herrn Prof. Eugster wäre wohl weder das Denkmal so bald errichtet, noch der Platz so bald instand gestellt worden.

Die Aufzeichnungen von Hans Eggenberger[Bearbeiten]

Hans Eggenberger, Verfasser der Erinnerungen an die Denkmalgeschichte, in denen er Arnold Eugster’s Wesen und Charakter pointiert überzeichnet, schreibt im Epilog seiner Aufzeichnungen über Arnold Eugster (alias Abraham Sprecher): Die Wunde der Vögelinsegg, die noch seine Generation ohne Verständnis für die Schönheit der Heimat schlug, hat er geheilt. Er wusste viel und wurde viel verspottet von den Ungebildeten, weil er sich stets als Bannerträger des Geistes etwas über denselben dünkte, und doch hatte Abraham Charakter. Er war eine Persönlichkeit durch und durch, er lebte in seiner eigenen Welt, unberührt und gefeit gegen jede Vermassung, und gerade solche Menschen hat die gegenwärtige Zeit besonders nötig.
Die Aufzeichnungen (Teil Toblerdenkmal ab Seite 23) von Hans Eggenberger wurden Wikispeicher von dessen Sohn Wilhelm Nowack zur Verfügung gestellt: Der Autor der Geschichte ist Dr. Hans Eggenberger (1918-1999). Er war der älteste Sohn meines Grossvaters Oswald Eggenberger, verbrachte seine Jugend in Speicher und besuchte die Kantonsschule Trogen. Seine Geschichte des Toblerdenkmals galt lange Zeit als verschollen und tauchte erst mehr als zwanzig Jahre nach seinem Tod im Nachlass meiner Mutter wieder auf.

Die "Ode an Gott" und Karolina Rudolphi[Bearbeiten]

Die Entstehung des Textes des Landsgemeindeliedes und das Leben von Carolina Christiana Louisa Rudolphi (*1753 †1811), genannt Karolina Rudolphi, hat Dr. phil. Heidi Eisenhut im Appenzeller Kalender von 2009 (Band 288) erstmals näher beschrieben. Hier werden einige Ungenauigkeiten aus den Memoiren des Hans Eggenberger korrekt dargestellt. Weitere Ergänzungen zu Leben und Wirken von Carolina Rudolphie finden sich in der Bearbeitung einer Sammlung von Briefwechseln.
Im Appenzellerkalender von 1939 (Rückblick auf das Jahr 1938) kommt Rudolphi "offiziell" zu Ehren: Am 14. August gedachte das Appenzellervolk des 100. Todestages seines Sängervaters Johann Heinrich Tobler von Wolfhalden. Jn Speicher, seinem Wohnorte, fand die Einweihung des von Bildhauer W. Meier, St, Gallen, erstellten Denkmals statt, ... mit einem im Geiste Toblers gehaltenen schönen Volksfeste. Dabei erntete auch die Dichterin der von Tobler so herrlich vertonten „Ode an Gott", Karoline Rudolphi, verdienten Nachruhm.

Ein abgelehnter Denkmalbau[Bearbeiten]

Der Gemeindechronik 1938 aus dem entsprechenden App. Jahrbuch ist zu entnehmen: "Aber noch ein drittes Denkmal wollte auf Vögelinsegg errichtet werden. Der Leser höre und staune: Es war beabsichtigt, daselbst ein deutsches Kriegerdenkmal zu erstellen. Die Gemeindebehörde lehnte diese Zumutung glatt ab und handelte damit durchaus im Einverständnis der Bevölkerung."

Text: Peter Abegglen, April 2024
Video: Aufnahme und Schnitt, Paul Hollenstein, April 2024 [1]
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  1. Quellen:
  2. Link:
    • Hermes-Wladarsch Maria, Erziehung und Weiblichkeit um 1800: Der digitalisierte Briefwechsel zwischen Caroline Rudolphi und ihrer Schülerin Doris Olbers; in bildungsgeschichte.de; https://orcid.org/0000-0002-9709-3471; abgerufen am 20.4.2024