Bearbeiten von «Handsticker Würzer»

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Der Bauer Hans Würzer kaufte im Jahre 1950 die Liegenschaft Hohrüti 40 und zog mit seiner Frau Frieda Würzer-Spies und den 2 Söhnen Hansruedi und Alfred vom nahe gelegenen, auf St. Galler Boden liegenden "Amerika" nach Speicher.<br>
Der Bauer Hans Würzer kaufte im Jahre 1950 die Liegenschaft Hohrüti 40 und zog mit seiner Frau Frieda Würzer-Spies und den 2 Söhnen Hansruedi und Alfred vom nahe gelegenen, auf St. Galler Boden liegenden "Amerika" nach Speicher.<br>
15 Kühe, 4 Schweine, 2 Ziegen, sowie ein Appenzeller - Bläss und einige Hühner gehörten zum Inventar des etwas abseits gelegenen Bauerngutes.<br>
15 Kühe, 4 Schweine, 2 Ziegen, sowie ein Appenzeller - Bläss und einige Hühner gehörten zum Inventar des etwas abseits gelegenen Bauerngutes.<br>
Ein Unfall zwang Hans Würzer im Jahr 1960 die Arbeit als Bauer aufzugeben. <br>
Ein Unfall zwang Hans Würzer im Jahr 1960, sich eine andere Arbeit zu suchen. <br>
Pächter übernahmen vorübergehend den Bauernbetrieb. Sie wohnten jeweils im Erdgeschoss, während sich die Familie Würzer auf den 1. Stock des Bauernhauses beschränkte. Dies änderte, als Nachbarsbauer Emil Gantenbein von der Hohrüti Land und Scheune  pachtete.  
Ein Pächter übernahm vorübergehend den Bauernbetrieb, bis der Bauer Emil Gantenbein von der Hohrüti die Liegenschaft pachtete. Hans Würzer musste sich eine andere Beschäftigung suchen. Durch einen Bekannten wurde er auf die Handstickerei aufmerksam gemacht.<br>
Hans Würzer musste sich eine andere Beschäftigung suchen. Durch einen Bekannten wurde er auf die [[Sticken|Handstickerei]] aufmerksam gemacht.<br>


===Arbeit als Handsticker===  
===Arbeit als Handsticker===  
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Er erstand eine ca. zwei Tonnen schwere, leistungsfähige Occasions – Plattstich - Bandhandstickmaschine der Firma Benninger aus Uzwil aus dem Jahre 1890. Dieser Maschinentyp wurde bis etwa 1910 gebaut, war also bei der Inbetriebnahme bei Würzers bereits um die 60 Jahre im Einsatz gestanden. In der Stickereifachschule St. Gallen besuchte er Kurse, damit er alles erlernen konnte, was ein selbständiger Sticker wissen musste. <br>
Er erstand eine ca. zwei Tonnen schwere, leistungsfähige Occasion – Plattstich - Bandhandstickmaschine der Firma Benninger aus Uzwil aus dem Jahre 1890. Dieser Maschinentyp wurde bis etwa 1910 gebaut, war also bei der Inbetriebnahme bei Würzers bereits um die 60 Jahre im Einsatz gestanden. In der Stickereifachschule St. Gallen besuchte er Kurse, damit er alles erlernen konnte, was ein selbständiger Sticker wissen musste. <br>
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Würzer Ehepaar im Bauernhaus.JPG | Hans und Frieda Würzer
Würzer Ehepaar im Bauernhaus.JPG | Hans und Frieda Würzer
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Der bei der Firma Altoco in St. Gallen angestellte Fergger Bernhard Hollenstein brachte die Aufträge ins Haus und holte die fertige Ware wieder ab. Der heute 82 - jährige Hollenstein arbeitet zu Hause in Dreien im Toggenburg noch jeden Tag an seiner Stickmaschine und stickt spezielle Kleinaufträge, die für die grossen Stickereiproduzenten uninteressant sind.<br>
Der bei der Firma Altoco in St. Gallen angestellte Fergger Bernhard Hollenstein brachte die Aufträge ins Haus und holte die fertige Ware wieder ab. Der heute 82 - jährige Hollenstein arbeitet zu Hause in Dreien im Toggenburg noch jeden Tag an seiner Stickmaschine uns stickt spezielle Kleinaufträge, die für die grossen Stickereiproduzenten uninteressant sind.<br>
Er kann sich noch sehr gut an das Ehepaar Würzer erinnern. Frieda Würzer soll eine ausgesprochen fröhliche Person gewesen sein. Sie half bei der Produktion mit und war zuständig für die optische Überwachung der Maschine während der sehr diffizilen Stickarbeit. Allfällige Nachstickarbeiten soll sie nebenbei auch noch erledigt haben.<br><br>


Der Fergger kann sich noch sehr gut an das Ehepaar Würzer erinnern:<br>
Als die Aufträge von Altoco allmählich ausblieben, arbeitete Hans Würzer auch für die Stickereifirma Union in St. Gallen. Somit hatte er meist genügend Arbeit. Im Kurhaus Beutler warb er für Besuche in seiner Werkstatt. Das Angebot wurde rege benutzt und so spazierten bei schönem Wetter vor allem weibliche Kurgäste gerne zum Bauernhof hinüber, wo sie nebst der Vorführung seiner Stickmaschine auch gestickte Tüchlein der Union kaufen konnten.<br><br>
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Frieda Würzer soll eine ausgesprochen fröhliche Person gewesen sein. Sie half bei der Produktion mit und war zuständig für die optische Überwachung der Maschine während der sehr diffizilen Stickarbeit. Allfällige Nachstickarbeiten soll sie nebenbei auch noch erledigt haben.<br><br>
Als auch die Union keine externen Aufträge mehr vergab, konnte er für Ernst Graf, Dessinateur in Speicher, arbeiten. Diese Stick-Aufträge bekam er direkt von Ernst Graf angeliefert. Ernst Graf war weit herum bekannt, weil er die Brassband Musik von Irland in die Schweiz gebracht hatte und als Dirigent mit Speicher viele Preise gewinnen konnte.<br>
 
Als die Aufträge von Altoco allmählich ausblieben, arbeitete Hans Würzer auch für die Stickereifirma Union in St. Gallen. Somit hatte er meist genügend Arbeit. Im Kurhaus Beutler warb er für einen Besuch in seinem Stickereilokal. Das Angebot wurde rege benutzt und so spazierten bei schönem Wetter vor allem weibliche Kurgäste gerne zum Bauernhof hinüber, wo sie nebst der Vorführung seiner Stickmaschine auch gestickte Tüchlein der Union kaufen konnten.<br><br>
 
Als auch die Union keine externen Aufträge mehr vergab, konnte er für Ernst Graf, Dessinateur (Stickereientwerfer) in Speicher, arbeiten. Diese Stick-Aufträge bekam er direkt von Ernst Graf angeliefert. Ernst Graf war weit herum bekannt, weil er die [[Musikverein Speicher |Brassband Musik]] von Irland in die Schweiz gebracht hatte und als Dirigent mit Speicher viele Preise gewinnen konnte.<br>
Im Hause Würzer wurden vorwiegend Kleinmotive gestickt, wie Tierchen- oder Blumenmotive für Kinderkleidchen, welche in grosser Anzahl hergestellt wurden.<br>
Im Hause Würzer wurden vorwiegend Kleinmotive gestickt, wie Tierchen- oder Blumenmotive für Kinderkleidchen, welche in grosser Anzahl hergestellt wurden.<br>
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Weil der Betrieb einer Handstickmaschine Muskelkraft erforderte, war es vor allem Hans Würzer, der als Sticker arbeitete. Im Gegensatz zu früher, wo die Sticker im meist feuchtkalten und schlecht beleuchteten Sticklokal im Keller arbeiteten, war die Arbeit für Hans Würzer im neuen Sticklokal zwar anstrengend aber trotzdem erträglich.<br>
Weil der Betrieb einer Handstickmaschine Muskelkraft erforderte, war es vor allem Hans Würzer, der als Sticker arbeitete. Im Gegensatz zu früher, wo die Sticker im meist feuchtkalten und schlecht beleuchteten Sticklokal im Keller arbeiteten, war die Arbeit für Hans Würzer im neuen Sticklokal zwar anstrengend aber trotzdem erträglich.<br>
Im Jahre 1979 wurden die Aufträge immer weniger, so dass Hans Würzer seine Stickereiarbeit endgültig an den Nagel hängte und sich bis zu seiner Pensionierung während zwei Jahren auswärts Verdienst erwirtschaftetet. Hans Würzer starb 72 -jährig am 25.12.1989.<br>
Im Jahre 1979 wurden die Aufträge immer weniger, so dass Hans Würzer seinen Stickerjob endgültig an den Nagel hängte und sich bis zu seiner Pensionierung während zwei Jahren auswärts Verdienst erwirtschaftetet. Hans Würzer starb 72 -jährig am 25.12.1989.<br>


===Abbruch der Handstickmaschine===
===Abbruch der Handstickmaschine===
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===Arbeitsablauf beim Sticken===
===Arbeitsablauf beim Sticken===
Die rechte Hand des Stickers bedient die Kurbel, welche die beiden Wagen vor und zurück bewegt. An deren Spitzen befinden sich bis maximal 312 Zangen (Kluppen), welche die Sticknadeln halten und durchs Tuch stossen.  
Die rechte Hand des Stickers bedient die Kurbel, welche die beiden Wagen vor und zurück bewegt. An deren Spitzen befinden sich 312 Zangen (Kluppen), welche die Sticknadeln halten und durchs Tuch stossen.  
[[Datei:Kluppen.jpg |150px|thumb|rigth| Kluppen halten die Nadeln]]
[[Datei:Kluppen.jpg |150px|thumb|rigth| Kluppen halten die Nadeln]]
Auf der rückwärtigen Seite des Gewebes dasselbe Bild. Die Kluppen greifen die durchgestossenen Nadeln, der zweite Wagen fährt zurück und zieht den Faden durchs Tuch. Der Unterschied zur Handstickerei ist, dass hier die Nadel zwei Spitzen hat, das Nadelöhr ist in der Mitte.<br>
Auf der rückwärtigen Seite des Gewebes dasselbe Bild. Die Kluppen greifen die durchgestossenen Nadeln, der zweite Wagen fährt zurück und zieht den Faden durchs Tuch. Der Unterschied zur Handstickerei ist, dass hier die Nadel zwei Spitzen hat, das Nadelöhr ist in der Mitte.<br>
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Wenn also in Bezug auf das Beispiel oben die Nadel durch den Stoff an der Stelle vom Punkt 1 gestochen wurde, so wird der Pantograph so bewegt, dass die Nadel beim Zurückstechen den nächsten Punkt, (z.B. Punkt 2) trifft und so das vergrösserte Muster nachbildet.<br>
Wenn also in Bezug auf das Beispiel oben die Nadel durch den Stoff an der Stelle vom Punkt 1 gestochen wurde, so wird der Pantograph so bewegt, dass die Nadel beim Zurückstechen den nächsten Punkt, (z.B. Punkt 2) trifft und so das vergrösserte Muster nachbildet.<br>
Einer der wesentlichen Nachteile dieser Maschine war, dass die Fäden bei jedem Stich vollständig durch den Stoff gezogen werden mussten. Dadurch durften die Fäden höchstens so lang sein wie die Schienen, d.h. etwas mehr als einen Meter, was je nach Muster für etwa 250–400 Stiche reichte. War der Faden aufgebraucht, mussten alle Nadeln mit vorbereiteten, neu gefädelten Nadeln ersetzt werden.<br>
Einer der wesentlichen Nachteile dieser Maschine war, dass die Fäden bei jedem Stich vollständig durch den Stoff gezogen werden mussten. Dadurch durften die Fäden höchstens so lang sein wie die Schienen, d.h. etwas mehr als einen Meter, was je nach Muster für etwa 250–400 Stiche reichte. War der Faden aufgebraucht, mussten alle Nadeln mit vorbereiteten, neu gefädelten Nadeln ersetzt werden.<br>
 
Der folgende Film zeigt die Arbeit eines Handstickers: '''Video ist in Produktion'''
Der folgende Video zeigt den Sticker Berhard Hollenstein bei seiner Arbeit:<br>
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===Fädelmaschine entlastet Kinder und Frauen===
===Fädelmaschine entlastet Kinder und Frauen===
[[Datei:Würzer Frieda Einfädeln.JPG |400px|thumb|rigth| Frieda Würzer bedient ihre Levy-Fädelmaschine]]
[[Datei:Würzer Frieda Einfädeln.JPG |400px|thumb|rigth| Frieda Würzer bedient Fädelmaschine]]
Für das Einfädeln der vielen Nadeln war Frieda Würzer zuständig. Zuerst musste aber der Garnzopf auf Spulen gespult werden, damit das Stickgarn fürs Einfädeln bereit war.<br>
Für das Einfädeln der vielen Nadeln war Frieda Würzer zuständig. Zuerst musste aber der Garnzopf auf Spulen gespult werden, damit das Stickgarn fürs Einfädeln bereit war.<br>
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Bis im Jahr 1890 musste das Einfädeln von Hand vorgenommen werden. Dies war meist Kinder- oder Frauenarbeit, welche bis weit in die Nacht hinein unter schlechten Lichtverhältnissen erledigt wurde. Aus der Ostschweizer Textilindustrie liegen Berichte vor, wonach Kinder zusätzlich zum Schulbesuch täglich noch 6 – 8 Stunden Nadeln einfädeln mussten.<br>
Bis im Jahr 1890 musste das Einfädeln von Hand vorgenommen werden. Dies war meist Kinder- oder Frauenarbeit, welche bis weit in die Nacht hinein unter schlechten Lichtverhältnissen erledigt wurde. Aus der Ostschweizer Textilindustrie liegen Berichte vor, wonach Kinder zusätzlich zum Schulbesuch täglich noch 6 – 8 Stunden Nadeln einfädeln mussten.<br>
   
   
Nach der Erfindung einer mechanischen Fädelmaschine im Jahre 1884 durch den Rheintaler Viktor Kobler dauerte es noch weitere 6 Jahre, bis Erfindung in Produktion gehen konnte und endlich Entlastung für diese mühsame Arbeit eintrat. Nun war es möglich, bis zu 2000 Nadeln in der Stunde einzufädeln, also rund 20x mehr als bis anhin. Deshalb kann die Einfädelmaschine auch als echte Wundermaschine bezeichnet werden. Mit ihr konnten die Fäden in einem Arbeitsgang eingefädelt, verknotet und abgelängt werden. Gebaut wurde sie in Rorschach durch Henri Levy.<br>
Nach der Erfindung einer mechanischen Fädelmaschine im Jahre 1884 durch Viktor Stauber dauerte es noch weitere 6 Jahre, bis endlich Entlastung für diese mühsame Arbeit eintrat. Nun war es möglich, bis zu 2000 Nadeln in der Stunde einzufädeln, womit man mit ihr 20x schneller als bisher arbeiten konnte.<br>
 
Deshalb kann die Einfädelmaschine auch als echte Wundermaschine bezeichnet werden. Mit ihr konnten die Fäden in einem Arbeitsgang eingefädelt, verknotet und abgelängt werden. Gebaut wurde sie in Rorschach durch Henry Levi.<br>
Levy-Fädelmaschine in Aktion, bedient durch Luzia Engesser-Hollenstein:<br>
 
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<small>Quellen:<br>
<small>Quellen:<br>
Erzählung: Alfred Würzer, Bernhard Hollenstein<br>
Erzählung: Alfred Würzer<br>
Photos: Alfred Würzer, Paul Hollenstein, WIKIPEDIA<br>
Photos: Alfred Würzer, Paul Hollenstein, WIKIPEDIA<br>
Video: Paul Hollenstein</small><br>
Video: Paul Hollenstein (folgt)</small><br>
<small>Text: Paul Hollenstein 2019</small>
<small>Text: Paul Hollenstein 2019</small>


[[Kategorie:Wirtschaft und Gewerbe]]
[[Kategorie:Wirtschaft und Gewerbe]]
[[Kategorie:Filmaufnahmen]]
[[Kategorie:Erzählte Geschichte]]
[[Kategorie:Erzählte Geschichte]]

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