Fabrikantenhäuser

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Im 18. Jahrhundert breitet sich zunächst die Leinenweberei mehr und mehr aus. Die gute Wirtschaftslage verbessert das Einkommen der im Textilgewerbe tätigen Bevölkerungsgruppe. Dienstleistende rund um die Leinwandweberei - Grempler, Gewerbler, Kaufleute, Weber – wählen als Standort ihrer Häuser gute Lagen im Dorf. Die ersten Fabrikantenhäuser glichen in Bau und Ausführung noch weitgehend den traditionellen Giebelhäusern, dem eigentlichen "Appenzeller Haus"

Auch die Raumbedürfnisse ändern sich: man zeigt, was man hat! Die Fassaden sind symmetrisch, die traditionellen Reihenfenster mit Falläden weichen Einzelfenstern mit Tafelläden. Das Erdgeschoss ist repräsentativ, mit einem kunstvoll gestalteten mittigen Eingangsportal. Lagerräume, Kontore (Büro und Schauraum) oder auch Farbküchen sind im Erdgeschoss untergebracht. In den zweiten Wohnstock führt oft ein Treppenhaus, das Palastbauten nachempfunden ist.

War bislang nur das Sockelgeschoss (Keller) gemauert, ist es nun das ganze Erdgeschoss, der darüber liegende Strickbau wird frontseitig ganzflächig vertäfert und hell gestrichen, um den Eindruck einer Steinfassade zu erwecken. Zimmermannskunst und finanzielle Möglichkeiten erlauben anspruchsvollere Gebäudeformen: die ursprüngliche Dachform wird um einfach oder doppelt geschweifte Giebel erweitert, diese verschwinden aber bei späteren Umbauten oft wieder, weil sie sich im rauen Klima nicht bewährten. Die Innenräume dienen als Verkaufs- und Showräume, die Stube wird zum Festsaal, in welchem Familienanlässe und Feste gefeiert werden.

Fabrikantenhäuser an der Reutenenstrasse

Die markante Häuserreihe Reutenenstrasse 8 bis 2 und Hauptstrasse 11 entstand zwischen 1787 und 1820, wohl weil damals die neue Strasse (die heutige Reutenenstrasse) nach Teufen erstellt wurde. Eine Federzeichnung von Johann Ulrich Fitzi zeigt die heute noch bestehende Situation, damals noch mit grösseren Vorgärten.


Fabrikantenhaus „Zum Anker“

Haus Anker.JPEG

Wie die östlich folgenden zwei Häuser wurde auch das Haus „Zum Anker“ erst nach 1807 erbaut. Konrad Langenegger, Baumeister der reformierten Kirche, baute es im Jahre 1808 „für die Tochter seines besten Freundes“ Anna Barbara Tobler-Zellweger (1784 – 1846). Auffallend sind das kielbogige Satteldach und die damals neuzeitlichen Einzelfenster anstelle der traditionellen Reihenfenster. Die Täferung soll offenbar den weissen Verputz eines Steinhauses nachahmen, ein Eindruck, der noch zusätzlich verstärkt wird durch toskanische Pilaster. An der geschindelten Rückseite finden sich an den Fenstern Abwürfe („Regedächli“) mit barock geschweiften Seitenbrettern, sogenannten „Ohrenklappen“.








Benachbarte Fabrikantenhäuser

Reutenenstrasse 6.JPEG

Östlich an das Haus zum Anker schliessen sich drei weitere Fabrikantenhäuser an. Zunächst das 1812 erbaute Haus Reutenenstrasse 6 mit den auffallenden Balkonen, die allerdings erst nach 1900 angefügt wurden. Das Haus wurde schon 1844 und nochmals 1851 aufwändig umgestaltet.


Auch beim 1815 bis 1817 erbauten dritten Haus wurde kurz nach dem Bau „viel verbessert“ und „beträchtlich verbaut“. Das Mittelportal ist in klassizistischem Stil (Biedermeier) aus späterem Umbau.







Das älteste Haus in der Reihe stammt von 1787, erbaut von Zimmermeister Johannes Klee. 1804 wurde es „gelb gemalt“, später „weiss angestrichen“. Ein beachtenswertes Detail bildet das geschmiedete Oberlichtgitter im Portal. Der zugehörige gusseiserne Brunnen trägt die Jahrzahl 1903.



Haus Blume 2017.JPEG

Das jüngste Haus ist das Haus zur Blume, welches im Portalschlussstein den Hausnamen und die Jahrzahl 1827 trägt.

Fabrikanten

Als „Fabrikanten“ bezeichnete man Männer, die bei Lohnwebern auf eigene Kosten weben oder sticken liessen. Sie lieferten den Lohnwebern das Garn, manchmal sogar den Webstuhl für den Keller, oft übten sie daneben noch andere Tätigkeiten aus, zum Beispiel als Landwirte. Erst nach und nach wurden sie unabhängig von der Landwirtschaft und bauten sich dann die Fabrikantenhäuser ohne angegliederten Stall. Fabrikanten gehörten zur wohlhabenden Schicht im Dorf, allerdings sowohl an Vermögen wie an politischem Einfluss noch weit übertroffen von den Kaufleuten.

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