Eugster Jakob: Unterschied zwischen den Versionen

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=== Lehre als Schriftsetzer ===
=== Lehre als Schriftsetzer ===
[[Datei:Eugster Jakob Schriftsetzer.jpg|300px|thumb|rigth| Jakob Eugster am "Setzen"]]
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Jakob bekam 1936 eine Lehrstelle bei der Druckerei Adolf Hauke in Speicher, wo er Schriftsetzer lernen wollte.<br>
Jakob bekam 1936 eine Lehrstelle bei der Druckerei Adolf Hauke in Speicher, wo er zum Schriftsetzer ausgebildet werden sollte.<br>
Gelernt hatte er seinen Beruf vorwiegend in der Gewerbeschule. In der Druckerei (heute Lutz AG) war er nicht Lehrling, sondern musste selbständig die Arbeit eines Arbeiters erledigen.<br>
Gelernt hatte er seinen Beruf vorwiegend in der Gewerbeschule. In der Druckerei (heute Lutz AG) war er nicht Lehrling, sondern musste selbständig die Arbeit eines Arbeiters erledigen.<br>



Version vom 23. Oktober 2021, 15:57 Uhr

Wer etwas über die letzten 100 Jahre Speichers erfahren will, kommt über Jakob Eugster nicht hinweg.

Jugendjahre

Am 23.4.1921, gegen 22:00h, kam Jakob Eugster (Jgg) als Sohn von Eugster Johann und Martha, geb. Altherr, auf der Neppenegg zur Welt. Die Mutter war bei der Geburt Jakobs bereits 48 Jahre alt. Jakob als Nachzügler war 11 Jahre jünger als das jüngste seiner Geschwister. Ein Schwester war bereits gestorben.

Da das Haus erst 1945 an den elektrischen Strom angeschlossen wurde, gab es nur Petrol- und Kerzenlicht. Wasser holte man von einem Brunnen, der von einer Sonnhaldenquelle her per Pumpe gespiesen wurde. Ein Kupferzuber diente entweder zum Waschen und zur Zubereitung der Schweinekost. Im Winter gab es riesige Schneeverwehungen, so dass ein Durchkommen manchmal gar nicht möglich war. Eines Tages hat ein Föhnsturm das Dach des Hauses abgedeckt und in Richtung Unterbach hinab geweht.

Der Webstuhl im Keller war nur zeitweise in Betrieb. Die seltenen kleinen Aufträge kamen von der Firma Schefer und halfen der Familie, sich mit knapper Not über Wasser zu halten. Die Familie litt unter der Armut.

Familie verliert den Vater

Der Vater starb 1932, als Jakob fast 11 Jahre alt war. Der Sohn Konrad übernahm den Bauernhof mit zehn Kühen. Ein Jahr später zog die Mutter mit dem Nachzügler Jakob zu ihrem verwitweten Bruder (Vetter Hans) in den Trogener Unterbach. Jakob konnte weiterhin die Schule in Speicher besuchen, weil man jene Bleibe nur als vorübergehend betrachtete. Der Schulweg vom Unterbach ins Zentralschulhaus betrug etwa 40 Minuten.

Jakob Eugster erzählt, was er 1934 auf seinem Schulweg erlebt hat:


Schwierige familiäre Verhältnisse

Mutter Martha erkrankte an Schwermut, da sie die familiäre Situation zu stark belastete. Der älteste Sohn war nicht arbeitsfähig und musste von der Mutter umsorgt werden.

Jakob bekam einen Vormund. Dieser wollte den Knaben als Verdingbub an einen Bauern im Thurgau vermitteln. Der Lehrer Jakob Schläpfer aber wehrte sich für ihn und sorgte dafür, dass er weiterhin zu Hause bleiben und in Speicher die Schule besuchen durfte.

Jakob erzählt von einem Schulausflug, der auf den Alvier hätte führen sollen und der ihm den ersten Schulschatz bescherte:


1936 erfolgte der Umzug zurück nach Speicher in die Blatten 26, dem kleinen Häuschen westwärts vom Gasthaus Blatten, wo die damalige Wirtin Lisette Mettler hiess. Bei ihr trafen sich die Bauern zum Jassen. Als Zins fürs kleine Häuschen mussten Eugsters damals Fr. 35.- /Mt. bezahlen. Während vier Jahren wohnte die Familie in diesem, auch für damalige Verhältnisse bescheidenen Häuschen.

Lehre als Schriftsetzer

Jakob Eugster am "Setzen"

Jakob bekam 1936 eine Lehrstelle bei der Druckerei Adolf Hauke in Speicher, wo er zum Schriftsetzer ausgebildet werden sollte.
Gelernt hatte er seinen Beruf vorwiegend in der Gewerbeschule. In der Druckerei (heute Lutz AG) war er nicht Lehrling, sondern musste selbständig die Arbeit eines Arbeiters erledigen.

Während der Lehrzeit merkte Jakob, dass er zu sich selbst schauen musste und zog wieder in die Neppenegg hinauf zu seinem zweitältesten Bruder Konrad (Chuedli). Dort fühlte er sich gut aufgehoben und war glücklich. Die Mutter selbst zügelte mit dem ältesten Sohn in den Sand (Trogen) zum jüngsten Bruder. Seit sie im Sand gewohnt habe, sagt mir Jakob, sei es ihr psychisch wieder besser gegangen.

Der junge Mann war durch die strenge Arbeit selbständig und ehrgeizig geworden. Mit dem einem selbst zusammengebauten Fahrrad sauste er jeweils über die gekieste Neppeneggstrasse ins Dorf hinunter zur Arbeit. Ein Nachbarsmädchen, welches er einmal per "Velostopp" mitgenommen hatte, wird den Sturz nicht mehr vergessen haben. Oberhalb Röhrersbühl sei ein Riegel quer über die Strasse gegangen, was er leider zu spät bemerkt hätte. Wegen dem grösseren Gewicht mit 2 Personen sei der Bremsweg auf dem losen Kies zu lang gewesen und so sei es zum Sturz gekommen. Zum Glück sei ausser blauen Flecken nichts passiert.

Die 4-jährige Lehre schloss Jakob Eugster mit der brillanten Note von 1,1 ab.

Adolf Hauke empfahl dem jungen Berufsmann zusätzlich noch den Abschluss als "Schweizerdegen" zu machen, also eine Zusatzausbildung zum Drucker, was ein weiteres Lehrjahr bedeutete und Hauke einen billigen Arbeiter bescherte. Hauke machte dem jungen Schriftsetzer und Drucker das Angebot, doch seine Druckerei zu übernehmen. Er müsse nur ein paar Jahre arbeiten, dann eine reiche Frau heiraten, dann komme es schon gut. Jakob Eugster wollte und konnte das Angebot nicht annehmen, denn die Technik und auch die Schriften in der Druckerei Haukes waren veraltet und hätten einige Investitionen erfordert. Als armer Bauernbub sei dies ausgeschlossen gewesen. Zudem hatte er sich bereits in Martha Hochreutener verliebt, was ihm einen anderen Lebensweg vorzeichnete.

Nach der Zusatzausbildung arbeitete Jakob ein weiteres Jahr in der Druckerei, bevor er 1942, also mitten im 2. Weltkrieg, die militärische Pflicht für unser Land erfüllen musste. Die Rekrutenschule absolvierte er in der Festung Airolo bei der Festungsartillerie. 565 Diensttage stehen am Schluss im Dienstbüchlein.

Familienglück

Als er sich 1946 mit Martha Hochreutener von der Holderschwendi vermählte, brachte er als Mitgift noch die Rationskarten mit in die Ehe. Mit der Geburt ihres Sohnes Peter im Jahre 1948 war das Familienglück perfekt.

1954 konnten Eugsters eine schöne Parzelle im Herbrig erwerben und ein Haus bauen.

Berufliche Herausforderungen

Jakob arbeitete in mehreren Betrieben mit unterschiedlichsten Aufgaben, wobei der Drang, immer wieder den Arbeitgeber zu wechseln, stets vorhanden war. Seine Arbeitsstellen waren in Basel, Pfäffikon, 30 Jahre bei der Volksstimme in St. Gallen, bei Schläpfer in Herisau 2x, und bei Tschudi am Spisertor.
Typograf, Maschinensetzer, Typografischer Gestalter, Kalligraf, Korrektor und Kundenberater zeigen, welch grosse Vielfalt Jakob Eugster an Aufgaben erledigen konnte und wie die Arbeitgeber mit ihm glücklich waren.

Zum Ende seiner beruflichen Laufbahn arbeitete er bei der Druckerei Schläpfer in Herisau.

Komödiant und Conférencier

Büttenrede zur Turnhallenheizung

Schon als junger Mann trat Jakob dem TV Speicher bei, wo er später in das Amt des Aktuars gewählt wurde. Hier konnte er seine unglaublich komödiantischen Talente ausleben. Als begnadeter Schauspieler und Büttenredner unterhielt er prall gefüllte Säle.

Vor allem jene Büttenrede im zweimal überfüllten Saal des Hotel Löwen (Appenzellerhof), wo er als alte Kohleheizung der Zentralschulhausturnhalle auftrat, bleibt vielen älteren Dorfbewohnern in bleibender Erinnerung.

Diese Büttenrede habe er in einer halben Stunde niedergeschrieben, was doch beweise, welch dringender Bedarf für eine Verbesserung vorhanden gewesen sei. Dass die Politik danach handeln und eine neue Heizanlage installieren musste, wäre für ihn ein weiterer Erfolg gewesen, sagt Jakob Eugster.

Hier der Text seiner Rede:

Sein Talent als Conférencier brachte ihm in der deutschen Schweiz viel Auftritte ein, so dass er weit herumreisen musste, um die Leute zu unterhalten. So an Klassentreffen, Batterieabenden, Jubiläen, Hochzeiten, Geburtstagen, Gautschfeiern usw.


Willy Herrmann erinnert sich an Jakobs Humor:



Politische Ämter

Die Gemeinde Speicher wählte Jakob Eugster 1969 zum Kantonsrat, dem er bis 1976 angehörte. Im Kantonsrat nahmen zu jener Zeit insgesamt nur 3 Sozialdemokraten Einsitz, was die Arbeit der kleinen Fraktion sehr erschwerte und bei Jakob oft Frust auslöste. Die Kommissionsarbeit aber, wo Lösungen gefunden werden mussten, liebte er sehr, denn hier konnte er sich einbringen und wurde allseits geschätzt.

An einer Bürgerversammlung 1969, geleitet vom damaligen Gemeindepräsidenten Kellenberger, machte ein Bürger den Vorschlag, im Buchenschulhaus ein Kunstwerk zu installieren. Jakob Eugster meldete sich zu Wort und schlug vor, anstelle eines Kunstwerkes, welches von den Schülern sowieso nicht beachtet würde, einen Dorfbrunnen aufzustellen. Der Gemeindepräsident liess sofort über Eugsters Vorschlag abstimmen, und da dieser eine grosse Mehrheit fand, wurde er grad mit der Realisierung beauftragt. Jakob berief darauf hin ein "Kommissiönli" ein, bestehend aus ihm, Lehrer Hans Schläpfer und Musikdirigent Ernst Graf, damit man eine machbare Lösung finden konnte.
Hans Schläpfer pflegte Kontakt zu Max Oertli, der auch den Gaucklerbrunnen beim Kunstmuseum St. Gallen realisiert hatte. Gemeinsam entstand der 1970 erstellte und heute immer noch von vielen Kindern als "Miniaturfreibad" Speichers benutzte Bürger-Brunnen.

Als Mitglied und Präsident der Schulkommission kam Jakob Eugster anfangs der 60er Jahre in die schwierige Situation, die älteren Lehrer, welche bald ins Pensionsalter kommen würden, zu ersetzen. Da Speicher damals für die Lehrerlöhne selbst verantwortlich war und diese unter den üblichen Ansätzen lagen, war die Suche nach neuen, jungen Lehrern sehr schwierig. So war es moralisch doch etwas problematisch, den einzigen Dorflehrer eines kleinen Bündner Dorfes nach Speicher zu holen. Jakob machte deshalb der Gemeinde plausibel, dass ein höheres Gehalt nötig wäre, um genügend Lehrer in den Speicher zu locken. Dies gelang und die Suche vereinfachte sich zusehends.

Einige Jahre war Jakob Eugster auch Mitglied in der GPK.

Auch für die Strassenbezeichnungen Speichers wurde Jakob beigezogen. Er amtete als Präsident dieser Kommission.

Gemeinsamer Lebensabend

Jakob Eugsters 98. Geburtstag

Da mit zunehmendem Alter Haus und Garten für Jakob und Martha Eugster zu anstrengend wurden, übergaben sie die Liegenschaft 2009 an ihren Sohn Peter weiter und zogen für ihren Lebensabend in die Altersresidenz Hof im Zaun um.
Martha Eugster starb 2017 - nach über sieben Ehe-Jahrzehnten - im Alter 98 Jahren.


Tägliche Turnübungen für den Rücken halten Jakob fit und lassen ihn mutig in die Zukunft schauen.
Am 23. April 2021 feierte Jogg Eugster bei bester körperlicher und geistiger Verfassung seinen 100. Geburtstag. Der 100-jährige Jakob ist weiterhin auf den Strassen Speichers anzutreffen und plaudert gerne über dies und das. Und wer etwas Interessantes über Speicher wissen will, braucht nur ihn zu fragen.

Eine Erinnerung an die frühen 1930 Jahre zeigt den Humor, welcher auch heute noch in Jakob Eugster steckt.


Anmerkung der WIKISpeicher-Redaktion:
Durch das Wissen von Jakob Eugster können wir Verborgenes und Unbekanntes aus und von Speicher festhalten und sichern.


Videos: Paul Hollenstein, Mai 2019
Text: Paul Hollenstein
Fotos: Jakob Eugster, Paul Hollenstein