Mühle und Knochenstampfi

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Eine erste Mühle dürfte in Speicher schon im 16. Jahrhundert gestanden haben, wird doch der Name „Müligraben“ (der heutige Mühlelibach) bereits um 1580 erwähnt. Im Häuserverzeichnis der Chronik von Bartholome Rechsteiner wird als Baujahr einer Mühle 1624 erwähnt. Nach Steinmann wird sie als Mahl- und Sägemühle sowie Bläue 1677 direkt [im Copiabuch im Archiv Speicher] erwähnt. Diese Mühle erfuhr mehrere Um- und Erweiterungsbauten, wohl auch Teilabbrüche und bestand als Gebäude mit dem Namen „Knochenstampfi“ bis 1936, als es durch einen Erdschlipf abrutschte und zerstört wurde. (Wann die Mühle zur Knochenstampfe wurde und wie lange sie als solche betrieben wurde ist zur Zeit der Verfassung dieses Textes unbekannt.)

Knochenmühlen[Bearbeiten]

Knochenmühlen oder „Knochenstampfen“ dienten dazu, die Knochen geschlachteter Rinder und Schweine zu zerkleinern, eben mahlen oder stampfen. Den Bauern diente das Knochenmehl als organischer Dünger, teilweise als Hühnerfutter. Rinder- und Schweineknochen lieferten die Metzger und Altwarenhändler der Gegend, die Knochen mussten vor der Verarbeitung bis zu zwei Jahre zum Trocknen gelagert werden.

In Fretter im Kreis Olpe (Nordrhein-Westfalen) steht eine Museumsmühle, die noch in Betrieb ist. Ein Kurzfilm von Wikipedia/Stefan Flöper zeigt die Funktionsweise.

Geschichtliche Daten aus historischen Quellen[Bearbeiten]

Belege aus der Rechsteinerchronik[Bearbeiten]

Aus der handschriftlich verfassten und durch die Darstellung nicht immer eindeutig zu zuordnenden Angaben lässt sich folgendes schliessen (S. 153): [Gemäss] Spruchbrief [schriftlicher Vertrag] eines Bartly Bäntziger wurde die Speicherer Mühle 1624 erbaut.
Besitzer waren Hauptmann (1734-1738) Conrad Ringeisen, um 173? Jacob Zähner aus Hundwil und dann Johannes Altherr, welcher 1767 im Kammrad eingeklemmt und dadurch tödlich verletzt wurde. Das war bereits der 3. Unglücksfall in dieser Mühle. In der gleichen Zeit sind durch einen Schlipf zwei Kinder ums Leben gekommen und 1753 ist dem alten Müller (Jacob Zähner) ein Sohn im Sämmler ertrunken.
1729 wurde von Hans Hanssen Danieles ein Haus mit fünf Zimmern oberhalb gebaut.
In den 1760er Jahren verlotterte das Haus zusehends.
Die Speicherer Säge gehörte bis in die 1760er Jahre zur Mühle und wurde dann separat verkauft zu 400 Gulden an (von?) Jacob Altherr.

Belege aus der Tannerchronik[Bearbeiten]

Bartholome Tanner führt in seiner Chronik im Weiler „Mühle“ drei Häuser auf: Nr. 200 mit Baujahr 1729, eine Mühle Nr. 201 mit Baujahr 1624 und die Knochenstampfe, früher Säge mit Nr. 201b und Baujahr 1846. Tanner bestätigt die von Rechsteiner erwähnten Unglücksfälle: 1699, am 21. April, wurden das 9jährige Kind Elsbetha des nachherigen Hauptmanns Schläpfer und die 15jährige Tochter Wiberatha des Barth. Bänziger bei der Speichermühle von einem Erdschlipfe begraben und erstickt. (Seite 634)
1753 verlor Jakob Zähner, des Müllers Sohn, sein Leben in einem Wassersämmler in der Speichermühle. (Seite 636)
1767, am 7. Februar, hatte Mstr. Johs. Altherr das Unglück, in seiner Säge in Speicher ins Kammrad zu kommen, in Folge dessen er nach etlichen Stunden, 29 Jahre alt, unter grossen Schmerzen verschied. (Seite 636)

Das Unglück von 1699[Bearbeiten]

Unglück bei der Mühle 1699.png

Am 21. April wurden die 9 - jährige Elsbetha Schläpfer, Tochter des späteren Hauptmanns Schläpfer und die 15 - jährige Wiberatha Bänziger, Tochter des Bartholome Bänziger, bei der Speichermühle von einem Erdschlipf begraben und erstickt.

Sowohl Rechsteiner wie auch Tanner erwähnen das Unglück von 1699, als zwei Mädchen durch einen Erdschlipf ums Leben kamen. Beide Chronisten dürften sich auf den Eintrag im ersten Kirchenbuch von Speicher beziehen, wo der Unglücksfall im Sterberegister auf Seite 397 mit Datum 21. April 1699 belegt ist.

1936 zerstört[Bearbeiten]

J.U.Fitzi, Bleistiftzeichnung um 1840

Gemäss Rechsteiner und Tanner wurde die Mühle 1624 erbaut. Tanner erwähnt, dass die Nummer 201b früher Säge und jetzt (also 1870) eine Knochenstampfe sei und 1846 erbaut wurde. Möglicherweise waren Säge und Mühle zusammen gebaut. Der Name Knochenstampfe ging später eventuell über auf das Mühlegebäude. Das Bild von Johann Ulrich Fitzi um 1840 zeigt zweifelsfrei das Gebäude, das 1936 als die zu jener Zeit im Volksmund genannte „Knochenstampfi“ abgerutscht ist. Über der Türe ist die Jahrzahl 1786 zu erkennen, gemäss Steinmann wohl das Jahr einer umfassenden Renovation. Zwischen 1852 und 1860 wurden Mahlwerk und Backofen entfernt, es war also wohl nicht mehr Mühle, sondern eben Knochenstampfe.

Letzte Bewohner[Bearbeiten]

Familie Hans u. Anna Eugster-Widmer, ca. 1910

Ende 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts war viel Leben in der Knochenstampfi: Karl und Emma Eugster mit ihren 13 Kindern wohnten darin, später bis etwa 1915 lebten dort deren Nachkommen Johannes und Anna Eugster-Widmer mit Rösli und Hans. Sie zogen um in das Haus Haldenstrasse mit der heutigen Nummer 8 etwas oberhalb der Knochenstampfi.

Familie J. Züst um 1920

Zuletzt wurde die Knochenstampfi von einer Familie J. Züst bewohnt, bevor das Haus, wohl bereits mit Schäden wegen der Rutschung, vermutlich in den 1920er-Jahren aufgegeben wurde. Damals führte der Weg vom Flecken zur heutigen Haldenstrasse über einen Steg etwas unterhalb des heutigen Damms hinter der Mühle durch.


Am 5. Dezember 1936 rutschte das zu jener Zeit bereits unbewohnte Haus ab und wurde vollständig zerstört.





Die bereits unbewohnte Knochenstampfi um 1930[Bearbeiten]



Die Mühle in Landeskarten[Bearbeiten]

Die Landeskarten aus der Zeitreise von swisstopo zeigen sowohl das Verschwinden der Mühle, die Veränderungen in der Wegführung, als auch die Geländeveränderungen, die mit dem späteren Bau der Kläranlage einher gingen.






Quellen:

Eugen Steinmann, „Kunstdenkmäler der Schweiz Band Ausserrhoden II“,Seite 430

Bartholome Tanner, Chronik S. 53, 634 ff.

Bartholomé Rechsteiner, Chronik S. 153

Martha Ochsner-Eugster, Ted Gross; 2019

Text: Peter Abegglen, 2019